Einzelfactoring: Was ist möglich – und was nicht?
Einzelfactoring ist kein Rechnungs-Picking: Warum strittige oder überfällige Forderungen von Factoring-Gesellschaften nicht angekauft werden können.
Factoring ist kein Werkzeug für Notfälle – sondern ein strategisches Instrument. Wer denkt, er könne bereits überfällige oder strittige Forderungen im Nachhinein verkaufen, hat das Prinzip von Factoring nicht verstanden. Warum Factoring nur mit einwandfreien Forderungen funktioniert und was Unternehmer beim Einzelfactoring unbedingt wissen sollten, erklärt dieser Artikel.
Einzelfactoring: Was Unternehmer oft falsch verstehen
Beim Begriff „Einzelfactoring“ denken viele Unternehmer, sie könnten gezielt einzelne, überfällige oder strittige Rechnungen an einen Factor verkaufen. In der Praxis ist dies nicht möglich. Factoring – auch in der Einzelform – setzt voraus, dass die Forderung zum Zeitpunkt des Verkaufs nicht nur unstrittig, sondern u.a. auch nicht bereits fällig ist.
Einzelfactoring bedeutet lediglich, dass ein Debitor ausgewählt werden kann – nicht einzelne Rechnungen. Von diesem Debitor müssen dann alle Rechnungen fortlaufend dem Factor angedient werden.
Warum strittige oder überfällige Forderungen nicht angekauft werden
Factoring basiert auf Sicherheit. Forderungen müssen daher:
- vollständig einredefrei erbracht (Ausnahme bei Abschlagsrechnungen bei VOB Verträgen)
- mängelfrei und rechtlich unstrittig
- ohne Rückgaberechte
- nicht überfällig
- rückversicherungsfähig
sein. Der Factor sichert sich über eine Warenkreditversicherung ab. Forderungen, die bereits überfällig oder strittig sind, können nicht rückwirkend versichert werden – sie können auch kein Gebäude, was bereits brennt, ging Feuer versichern.

Beispiel 1: IT-Dienstleister mit 3,6 Mio. € Jahresumsatz
Ein IT-Unternehmen arbeitet für drei große Auftraggeber mit Zahlungszielen zwischen 60 und 90 Tagen. Ein Projekt läuft aus dem Ruder, der Kunde behält einen Teil des Rechnungsbetrages ein. Der Unternehmer möchte die verbliebene Summe per Einzelfactoring verkaufen – ohne Erfolg.
Warum? Die Forderung ist strittig und mit einer einredebehaftet. Kein Factor kauft eine solche Forderung an. Hätte der Unternehmer vor Leistungserbringung mit einem Factoringvertrag gearbeitet und mit rechtlich einwandfreien Abnahmeprotokollen gearbeitet, wären Zahlungsziel und Forderungsankauf abgesichert gewesen.
Beispiel 2: Großhändler mit 6,8 Mio. € Umsatz
Der Unternehmer gewährt ausgewählten Kunden 30 Tage Ziel. Einige Kunden zahlen dennoch nicht innerhalb des vereinbarten Zahlungsziels, sodass der Unternehmer überfällige Rechnungen „loswerden“ möchte. Er fragt bei mehreren Anbietern Einzelfactoring an – vergeblich.
Factoring ist kein nachträgliches Inkasso für das Eintreiben von Forderungen zahlungsunwilliger Kunden, sondern eine präventive Finanzierungsform. Welches Motiv sollte ein Versicherer haben ein Auto Vollkasko zu versichern, nachdem es einen Totalschaden erlitten hat.
Merke:
Factoring funktioniert nicht rückwirkend. Es ersetzt keine Mahnung, kein Inkasso und keine Forderungsklage.
Checkliste: Was beim Einzelfactoring zu beachten ist
- Nur Forderungen eines einzelnen Debitors – nicht einzelne Rechnungen
- Keine bereits bestehenden, überfälligen oder strittigen Forderungen
- Nachweisbar erbrachte Leistung (ggf. Lieferscheine, Stundenzettel, Abnahmen)
- Debitor muss wirtschaftlich stabil und in Deutschland ansässig sein
- Keine Forderungen gegenüber Privatkunden (B2C)
- Forderung darf nicht aus schuldrechtlichen Verträgen resultieren
- Limitierung durch Rückversicherung (Warenkreditversicherung erforderlich)
Fazit
Factoring ist ein wirkungsvolles strategisches Finanzierungsinstrument – aber kein Notfallkoffer. Wer es richtig einsetzt, profitiert von schneller Liquidität, Wettbewerbsvorteilen und planbaren Zahlungsströme. Wer es missversteht, verliert Zeit und bekommt Absagen.
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